ich auf der Tretmine

muß Stellung beziehen in unsicherer Lage und Landschaft, denn:

den Auslöser scharfgemacht, weil heruntergetreten, bleibt nur das Innehalten, der bewußte Stillstand, um die Detonation zu verhindern. Ein kurzer Klick, der Vergangenheit und Zukunft von einer nun nicht mehr endenden Gegenwart abtrennt.
Denn das ist der Trick bei diesem Mechanismus:
erst wenn der Fuß den Auslöser wieder freigibt, wird der Explosionsvorgang ausgelöst.
Davor bleibt die Freiheit der Bewegungslosigkeit.

Ein Stück, das vielleicht ist:
Krieg und Kriegszustand, und: Testgebiet und Ort der Datenauswertung zugleich.
Das ist:
Schauplatz realer Zerstörung, und -
ein Ort, um die Dinge außerhalb zu betrachten: ihre Erscheinungsformen und Bewegungsbahnen, und den Moment abzuwarten, an dem sie die eigene Position kreuzen.

Es geht um Überschreitungen und Übertretungen und um die Sehnsucht nach rückstoßfreien Bewegungen. Um Tanzflächen und Krisengebiete und ihre Zunahme in den 90ern. Um Besetzen und Inbesitznahme von Räumen in der Bewegung und darum: dass auch die tanzende Eroberung eines überschaubaren Ortes eine Form von Ein- und Ausschluß-Schritten ist.

KAROLINA: Habe ich jemals daran gedacht, einfach umzufallen?
Nach links oder rechts wegzukippen und aus dem Rahmen zu fallen?
Mich Stück um Stück den Blicken zu entziehen, während die Füße noch Bodenhaftung haben - bis ich: vom Gewicht des herunterkommenden, jetzt nicht mehr sichtbaren Körpers entgegengesetzt in die Höhe gezogen werde, und - abhebe, und:
der Körper, für einen Moment, in der Waagerechten sich befindet: über dem Boden - schwebend.

Wo ich bin, scheinen Zentrum und Peripherie eins zu sein oder zusammenzufallen.
Gibt es nichts, keinen Horizont und keinen Ort der Geschichte, um den sich die Dinge drehen wie um das Mittelloch der Schallplatte.
Eine Landschaft, die ohne Körper zu denken ist - die vielleicht ist: Zone der Auslöschung und Ort, wo ein Speichermedium am Ende ist und keinen Platz mehr hat.

Warum sind keine Truppen zu sehen, oder Panzer, die eine Gewißheit von Krieg verbreiten würden?
Oder Lichtblitze in der Dunkelheit, die zwar schemenhafte, aber wenigstens Zeichen sind, dass da was ist?

Kurz vor meinem letzten Schritt nach vorn -
kurz vor dem Heruntertreten und Scharfmachen des Zünders,
der mich von nun an festhalten wird in einer nicht mehr endenden Gegenwart, habe ich gedacht:
wessen Krieg ist das hier?

Ich meine:
Warum sind keine Truppen zu sehen, oder wenigstens Panzer, die eine Gewißheit verbreiten würden?
Was, wenn das der unmöglichste Ort von allen ist?
Wenn nichts mehr trennt zwischen Bewegung und Nicht-Bewegung, und dies nicht mehr utopisch ist, sondern nur noch schmerzhaft:

die kleinsträumige Möglichkeit von Absicherung.

Mit:
Karolina Sauer, Elke de Boer
Text, Musik, Regie:
Albrecht Kunze
Redaktion:
Gisela Corves
Produktion:
Westdeutscher Rundfunk 2002, 53min
  1. Habe ich jemals daran gedacht, einfach umzufallen?
  2. Wir waren eine tanzende Informationseinheit
  3. Everytime I Lose Control
  4. Tretmine 1
  5. Ich auf der Tretmine
  6. Früher in den Clubs
  7. Wenn man Räume tanzend besetzt
  8. Eine Showtanz-Gruppe, spezialisiert auf die Darstellung strategischer Planspiele
  9. Wessen Krieg ist das hier?
  10. Tretmine 2
  11. Der erste Anschlag auf eine Großraumdisko
  12. Nachdem wir an mehreren Wochenenden das Zielobjekt studiert hatten
  13. Eine Konfrontation mit Sicherheitskräften innerhalb der Disko, die Tanzenden zwischen allen Fronten
  14. Man kann jemand auch verfolgen, indem man vor ihm hergeht
  15. Der DJ, verkabelt mit Sprengstoff und in realer Gefahr der Erste zu sein, den es in Stücke reißen würde
  16. Tretmine 3
  17. Kurz vor meinem letzten Schritt nach vorn
  18. Ein leises Gespräch zwischen mir und meiner Angst
  19. Jetzt, an einem Ort, an dem kein Trittschallfilter mehr hilft
  20. Ich auf der Tretmine
  21. Plötzlich ein Zucken
  22. I Will Keep It All With Mine
  23. Früher, nach stundenlangem Tanzen
  24. Jetzt aber, am Ende dieser Rille, Zeile oder Zeichenkette
  25. Tretmine 4